Festung in Cidade Velha,
Insel Santiago

Geschichte

Von der Entdeckung über den Sklavenhandel bis zur Unabhängikeit

Die Geschichte der Kapverden ist für ihre Lage typisch und doch einzigartig.  Über drei Jahrhunderte waren die Inseln Schauplatz des transatlantischen Sklavenhandels, Exil für die politischen Häftlinge Portugals und Zufluchtsort für Juden und andere religiös Verfolgte während der spanisch-portugiesischen Inquisition. Und dennoch: bereits im 19. Jahrhundert unterschied sich das Leben der Sklaven deutlich von dem in Nord- oder Südamerika: Auf den Kapverden waren Familien aus „Freien“ und Sklaven entstanden, die friedlich und wie selbstverständlich zusammen lebten. Im Drehkreuz zwischen Europa, Amerika und dem indischen Ozean gelegen können die Kapverden heute auf eine bedeutende Leistung zurückblicken: die Geburt einer völlig neuen, kreolischen Kultur und Sprache, entstanden durch das Miteinander verschiedenster Ethnien. Das kreolische Volk übernahm im nie ermüden wollenden Kampf gegen die Kolonisation die Vorreiterschaft in der Unabhängigkeitsbewegung Afrikas und die geistige Vaterschaft einer der modernsten Verfassungen in einer der wenigen pluralistischen und doch stabilen  Systeme in der Region.

Entdeckungszeit, Sklavenhandel und Hungersnot

Kapverdische Skulptur zeigt Sklaverei

Die Entdecker der Kapverden, die Portugiesen, beschrieben die Inseln bei ihrer Ankunft im Jahr 1456 als völlig unbewohnt. Jedenfalls gibt es bis heute keinerlei Beweise für menschliches Leben vor der „descoberta“.
Ziel der Portugiesen war es, neue Handelswege  und -waren zu ergründen und die geografischen Kenntnisse zu erweitern, zumal islamische Händler den Transsahara-Handel von Gold und Sklaven nach Norden und Salz nach Süden kontrollierten. In Sachen Indienhandel mit Gewürzen und Stoffen waren es die Türken, die den Landweg am Mittelmeer beherrschten und hohe Zölle erhoben. Ein neuer, christlich kontrollierter Zugang zu Gold, Sklaven und Gewürzen nach Westafrika und Indien sollte gefunden werden.

Eine Vorreiterrolle übernahm hier Heinrich der Seefahrer (1394-1460), Pionier der portugiesischen Entdeckungsfahrten. 1415 eroberte er Ceuta, 1418 Madeira und 1431 die Azoren. Heinrich der Seefahrer verpflichtete Kapitäne verschiedener Länder wie z.B. Spanier und Italiener, um seinem Ziel näher zu kommen. So erblickte der venezianische Seefahrer Aloisio Cadamosto am 25. Juli 1456 die Inselgruppe, als er im Auftrag Heinrichs zum Gambia-Fluss unterwegs war. Da Cadamosto aber die Kriterien einer „Entdeckung“ im Sinne Heinrichs nicht erfüllte (kartografische Erfassung, Beschreibung, Hinterlassen von Artefakten, Demonstration der Fähigkeit, wiederzukehren) wurde die Entdeckung 1960 dem Genueser António da Noli, ebenfalls von Heinrich beauftragt, per Urkunde zuschrieben. Nach dem Tode Heinrichs koordinierte Prinz Ferdinand von Portugal die Entdeckungsreisen und sandte den Seefahrer Diego Afonso zur weiteren Erkundung auf die Kapverden. Afonso benannte die Inseln nach den Tagesheiligen des jeweiligen Entdeckungsdatums: São Nicolau am 6. Dezember 1461, Santa Luzia am 13. Dezember 1461, Santo António am 17. Januar 1462, São Vicente am 22. Januar 1462.

Englische Landkarte der Kapverden aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1461 entstand in Santiago die erste Siedlung – die erste europäische Überseekolonie im subsaharischen Afrika überhaupt. Wenig später folgte die Besiedelung von Maio, wo sich Hirten niederließen, von Fogo, das Kolonialbürger beherbergte, von Boa Vista, wo Leprakranke untergebracht wurden und von Brava. In Santiago erhielten die Bürger 1472 das Recht, Sklaven zu halten. Während das Verhältnis von Sklaven und Freien im Jahr 1510 in Santiago noch bei 160 Siedlern und 30 Sklaven lag,  kamen bereits  im Jahr 1580 auf 2000 Freie 14.000 Sklaven. Nach Santiago wurden von Beginn der Besiedelung an bis ins Jahr 1974 Straffällige, Landstreicher und Prostituierte deportiert und so entstand 1949 ein Konzentrationslager in Tarrafal. Nachdem sich Portugal 1466 das ausschließliche Recht zum Sklavenhandel an der Küste von Senegambia bis Guinea gesichert hatte, wurde Ribeira Grande, später Cidade Velha, für ein Jahrhundert zum wichtigsten Sklavenhandelshafen. Außerdem wurden Rohrzucker bzw. Rum hergestellt und exportiert, Baumwolle angebaut und verarbeitet und aus der Viehzucht in Maio gewonnenes Fleisch als Schiffsproviant verkauft.

Durch die Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 entstand neuer territorialer Disput. Die Konkurrenten Spanien und Portugal vereinbarten unter Vermittlung des Papstes 1494 im Vertrag von Tordesilhas eine neue Grenzlinie: 370 Seemeilen westlich der Kapverden vom Nord- bis zum Südpol. Das Territorium östlich der Linie wurde Portugal, das westlich der Linie gelegene Gebiet Spanien zugesprochen.
Schon 1580 wurde Portugal von den Spaniern besetzt und die Kapverden von holländischen, französischen und britischen Freibeutern heimgesucht. Die wirtschaftliche Lage der Inseln verschlechterte sich zunehmend, nicht zuletzt durch die Kriege in Europa, die einen Handlesrückgang mit sich brachten. Aufgrund immer häufiger werdender Angriffe von Piraten und der strategisch schlechten Lage von Ribeira Grande wurde die Kolonialregierung 1614 nach Praia verlegt.
Der wirtschaftliche Niedergang setzte sich aber auch im 18. Jahrhundert fort, bis 1773 fast die Hälfte der Inselbevölkerung aufgrund einer mehrjährigen Dürreperiode starb, die nicht die letzte gewesen sein sollte.

Aufschwung und Ende der Kolonialzeit

Erste Kirche Westafrikas, Cidade Velha, UNESCO-Weltkulturerbe

Im Jahre 1790 begannen sich die Inseln langsam zu erholen. Während der napoleonischen Kriege wurde 1815 der Sklavenhandel auf der nördlichen Halbkugel verboten und England sicherte sich das Recht auf den Handel mit Portugal und Brasilien. Auf São Nicolao wurde erstmals Kaffee aus Brasilien angebaut, auf São Vicente ließen sich die ersten Siedler nieder, Praia wurde mit Straßen und städtischen Plätzen ausgestattet und auf der Insel Sal wurde von nun an Salz produziert. Nach einem Sklavenaufstand im Jahr 1853, der noch blutig niedergeschlagen wurde, war die Sklaverei auf den Kapverden 1878 endgültig beendet. Die Bewirtschaftung wurde fortan im Teilpachtsystem, das bis heute die Landwirtschaft der Kapverden prägt, weiter betrieben. Dennoch brachten die Exporte von Salz, Bananen, Kaffe, Fisch und Purgiernüssen nicht den erhofften Ertrag. Portugal hatte während seiner Herrschaft nicht in das Land investiert, die Exportkosten waren aufgrund der Abgelegenheit der Inseln zu hoch, die ohnehin geringen Bodenschätze gingen zur Neige und die Wasserreserven wurden knapp. Als um 1900 zudem die Weltmarktpreise für Kaffee drastisch absanken, brach die Produktion auf den Kapverden ein. In Lissabon errichtete Premierminister Salazar 1932 sein diktatorisches Regime und erklärt die Kapverden 1951 aufgrund des wachsenden nationalen Drucks als Überseeprovinz. Der Kolonialstatus wurde allerdings nur offiziell beendet. Durch massive Proteste gegen das weiterhin vorherrschende Kolonialgebaren Portugals wurden den Kapverdianern schließlich 1961 alle portugiesischen Bürgerrechte und bessere Bildungsmöglichkeiten zugestanden. Ab dem Jahr 1958 setzte erneut eine Dürrekatastrophe ein. In Lissabon hatte mittlerweile Caetano die Nachfolge Salazars angetreten und unterstützte die Inseln mit Aufbauprogrammen, sodass die Folgen der Dürre gemildert werden konnten. Zu verdanken war dies vor allem dem Druck von Amílcar Cabral, der 1956 in Guinea-Bissau die PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guineas und der Kapverden) gründete. Guinea-Bissau wurde bereits von 1650 bis 1878 von den Kapverden aus verwaltet, und auch die kreolische Kultur und Sprache verband die beiden Länder. Nach mehreren Versuchen Portugals, die PAICV mittels der PIDE, einer Art Geheimpolizei, zu unterwandern und den Zusammenschluss von Guinea-Bissau und den Kapverden zu verhindern, wurde Amílcar Cabrals im Jahr 1973 ermordet. Bis heute ist unklar, wer den Mord in Auftrag gab. Im Jahr 1974 wurde durch die Nelkenrevolution die Diktatur in Portugal beendet. Die lokalen Truppen auf den Kapverden hielten ihre Herrschaft jedoch weiterhin aufrecht. Im Dezember desselben Jahres wurde dann unter Leitung von Pedro Pires und Aristides Pereira eine PAIGC-Übergangsregierung vereinbart und im Juni 1975 erfolgte die erste Abstimmung über die nationale Volksvertretung: 92% der Stimmen bestätigte die PAIGC als Einheitspartei und somit Inhaberin aller Mandate in der Volksversammlung.

Die Unabhängigkeit

Amilcar Cabral, Nationalheld der Kapverden

Am 5. Juli 1975 erklärte die República Cabo Verde ihre Unabhängigkeit. Erster Staatspräsident wurde Aristides Pereira als Generalsekretär der PAIGC. Zum Ministerpräsidenten wurde Pedro Pires ernannt. Am 5. September 1980 wurde die erste Verfassung verabschiedet. Am 20. Januar 1981 wurde die PAIGC als neue Regierungspartei PAICV (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit der Kapverden) gegründet.
Die neu erreichte Unabhängigkeit stellte die Regierung vor schwierige Aufgaben: Die Staatskassen waren leer, eine schlimme Dürre plagte erneut das Land und die Erwerbslosenquote war auf 60% angestiegen, da die Arbeitsplätze in der Kolonialverwaltung wegfielen. Mit Unterstützung von Entwicklungshilfeorganisationen gelang es aber, das Land schrittweise aufzubauen.
Heute herrscht auf den Kapverden ein politisches Klima, das von sozialem Frieden und Stabilität geprägt ist.

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