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By kada
#7600 Meine Freundin und ich waren zwei Wochen auf den kapverdischen Inseln und wurden dort leider auf brutale Weise überfallen und ausgeraubt. Zunächst waren wir eine Woche auf Santo Antao, wo wir einen sehr schönen Wanderurlaub verbrachten. Auf der Rückreise nach Sal hatten wir zwei Tage Aufenthalt auf Sao Vicente eingeplant.

Am Donnerstag, dem 08.04.2010, mieteten wir uns an der Praca Nova in Mindelo einen Motorroller, um den sowohl im Führer des DuMont-Verlags wie auch im Führer des Reise Know How-Verlags empfohlenen Ausflug zum Aussichtspunkt auf dem Monte Verde zu unternehmen. Auf dem Weg zum Gipfel kamen uns auf der Pflasterstraße etwa ein Dutzend Touristen entgegen, doch oben am Aussichtspunkt waren wir alleine und hatten bei bestem Wetter einen schönen Rundblick über die gesamte Insel.

Gegen 13:30 Uhr machten wir uns auf den Rückweg hinunter ins Tal. Nach einer Rechtskurve sahen wir, dass die Strasse durch Felsbrocken blockiert war, die quer über den Weg gelegt worden waren. Wir bremsten ab, um zu sehen, wie wir den Motorroller an den Steinen vorbeimanövrieren könnten. In diesem Moment sprang ein mit einem Küchenmesser und einer Eisenstange bewaffneter, halb vermummter junger Mann hinter einem Busch hervor. Vor Schreck kippten wir mit dem Roller zur rechten Seite, wobei mein rechter Fuß zwischen Strasse und Roller eingequetscht wurde. Nun lagen wir am Boden und der Verbrecher forderte Geld. Ich gab ihm die 80,- Euro, die wir dabei hatten, doch er wollte mehr und nahm auch noch Digitalkamera und Handy. Dann küsste er sein Messer und verschwand wieder.

Kurz darauf trafen wir zwei tschechische Touristen, die wir eindringlich davor warnten weiterzufahren und die dann mit uns an die Hauptstrasse hinunterfuhren. Dort versuchten wir mit den Tschechen direkt die Polizei zu rufen, die aber einfach auflegte, als klar war, dass wir kein Portugiesisch sprechen. Zurück in Mindelo fuhren wir mit dem Vermieter der Motorroller zur nächsten Polizeistation, die sich jedoch für nicht zuständig erklärte und uns an die Wache der Policia Judiciaria verwies. Dort hatten wir leider auch das Gefühl, dass es den dort Beschäftigten eher lästig war (schon wieder) den Papierkram für überfallene Touristen ausfüllen zu müssen. Die Sachbearbeiterin brauchte gut zwei Stunden, um die Formulare zu füllen und unseren Fall aufzunehmen, und meinte, dass es in letzter Zeit gehäuft Überfälle auf Touristen gegeben habe, insbesondere, seit sich etwa 200 junge Männer zu kriminellen Gangs zusammengeschlossen haben. Allerdings wusste sie noch von keinem Raubüberfall, der auf diese Art und am helllichten Tag am Monte Verde stattgefunden hat.

Zurück in der Pension setzten dann mit abnehmendem Schock die Schmerzen ein, und auf Sal gingen wir am darauf folgenden Tag ins Hospital Clinitur. Der Arzt dort röntgte meinen Fuß und gipste ihn direkt ein, da er meinte, das Fersenbein sei gebrochen. Diesen Gips trug ich bis zu meinem Rückflug. In Deutschland stellte sich dann bei einer Untersuchung heraus, dass der Arzt nicht nur den Bruch falsch diagnostiziert, sondern auch noch den Fuß in einer Fehlstellung eingegipst hatte.

Der Überfall hat somit insgesamt unsere Freude am Urlaub auf den Kapverden nachhaltig getrübt. Die erste Woche fanden wir sehr schön, und glaubten auch, die Sicherheitslage einschätzen zu können. Wir meinen nun jedoch, dass brutale Überfälle dort zu jeder Tageszeit und an jedem Ort möglich sind. Die Polizei haben wir als nicht besonders hilfsbereit, die medizinische Versorgung als nicht wirklich kompetent erlebt. Darum können wir das Ziel für Individualreisende, die Länder gerne auf eigene Faust erkunden, nur sehr eingeschränkt weiterempfehlen.
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By kai2005
#7608 Hallo

Richtig überrascht hat mich dieser Bericht nicht wirklich. Ich hatte schon wesentlich früher mit so etwas gerechnet.
Aber selbst bei den hier lebenden Europäern wird der "Unmut" über die Ignoranz polizeilicher Dienststellen immer größer. Angeblich haben die Organe aufgestockt. Was nützt jedoch eine größere Quantität, wenn die Qualität mau ist...? Manchmal stinkt der Fisch halt vom Kopf her...

Wünsche weiterhin einen erlebnisreichen Urlaub in Cabo Verde;-)
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By frajo
#7621 Jeder Erfolg führt dazu das es auf den Kapverden zu einer Modeerscheinung wird, Individualtouristen zu überfallen.Das ist echt Scheiße, wenn die Diebe in der Disko mit Markenklamotten protzen können, die Sie sich von Ihren Überfällen leisten konnten. Wenn hier nicht endlich mal was getan wird, dann wird es nur noch Pauschaltourismus in abgeschirmten Tourighettos geben.
So habe ich ehrlich gesagt, keine Lust mehr die Kapverden zu besuchen!

Nach meinem Überfall stand ich auch ziemlich blöd auf der Polizeistation. Mit meinem Englisch, Spanisch und Französich konnte ich mich auf den Kapverden überall verständigen,... nur nicht auf der Polizeistation. Der Staat müßte unbedingt mal in die Ausbildung der Polizei investieren und endlich mal eine gescheite Task Force einrichten. Scheiße finde ich wirklich, daß die Opfer Individualtouristen sind, Leute die wirklich offen sind für Neues und den Menschen. Die echten Kapverdier sind so nett und offen, aber 200 Gangmitglieder, schaffen es so, sich wie die Ratten zu vermehren.
Ich hoffe, daß endlich mal was getan wird dagegen!

Ich war auf den Kapverden vor einem halben Jahr und es war vorher ausgesprochen ungewöhnlich, dass man überfallen worden ist.
Man müßte dort auch über Streetworking nachdenken, echte gute Vorbilder und so... aber das dürfen nicht die erfolgreichen Gangmitglieder sein!
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By pol
#7629 Ja, das ist echt schlimm, aber hoffentlich (noch) nicht überall so. Von Sto. Antao z.B. ist mir so etwas noch nicht zu Ohren gekommen.
Wundern tut es mich aber auch nicht. Zum Einen ist da, richtig, das schnelle und leicht verdiente Geld.
Zum Anderen habe ich so etwas schon beim letzten Mal in Mindelo, vor ca. 5 Jahren kommen gesehen. Wenn ich die Wut und vielleicht sogar den Haß in den Augen der erfolglos bettelnden älteren Kinder gesehen habe, habe ich mir gedacht, warte mal, wenn die ein paar Jahre älter sind... Und jetzt ist es anscheinend so weit. Es ist eben so, für die meisten Einheimischen sind Touristen, egal welcher Art, unermeßlich reich. Und die wollen nichts geben (und können nichts geben, sonst haben sie bald die Kinder der ganzen Stadt permanent hinter sich).
Als ich das erste Mal in CV war, in den 80ern, war so etwas unvorstellbar. Da gab es diese Unterschiede noch nicht, da konnte niemand mit seinem Protzen ein Beispiel geben. Alle waren mehr oder weniger arm, aber kaum jemand elend.
Und noch ein Faktor: die Deportation junger capverdischer "Krimineller" aus den USA nach CV. Auf dieseArt entledigen sich die USA dieses nicht ganz unbedeutenden (ich habe mal gelesen, daß der capverdische Anteil in Boston 6% beträgt, bei der Kriminalität aber 20%, so ähnlich waren die Zahlen, ich habe sie nicht mehr im Kopf) Problems, exportieren es... Die haben schon eine Beispielfunktion und dürften auch mit der Gangbildung zu tun haben. Was sollen sie auch sonst machen, ohne Familie, ohne Geld.

Viele Grüße
Rüdiger
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By frajo
#7635 der Eine war bereits in Markenklamotten gekleidet und fuchtelte äußerst skrupelos mit seinem Messer umher.. der andere der "Negro" hatte Angstperlen auf der Stirn und fühlte sich bestimmt nicht wohl bei dem was er tat. Er tat mir wirklich leid!

Ich weiss auch nicht warum ich immer noch im Forum bin, aber es war eines der einschneidensten Erlebnisse in meinem Leben. Erst dieses tolle Land mit seinem offenen, freundlichen Menschen zu erleben, die vergessene Gelassenheit wiederzu finden und dann der Überfall!
By Dju Dju
#7639 ... Kada beschrieb in einem sachlichen Ton den Überfall. Das fand ich an dieser Stelle wirklich sehr stark und informativ.
Dieser strategisch überlegte Tat am Monte Verde ist leider nicht das erste Mal. Dort wird die die Strasse beobachtet und dann im richtigen Moment zugeschlagen. Wahrscheinlich handelt es sich sogar um ein Gangmitglied, denn das Ritual des Messerkusses wäre ein Verweis darauf. Da ich viele Jugendliche fotografiere, kenne ich die sozialen Strukturen die zu solchen Taten führen. Denn gebildete Menschen in einem gesunden wirtschaftlichen sozialen Gefüge, würden solche Aktionen nicht durch führen - sie würden sich auch nicht unter Gruppendruck setzen lassen.

Ich wohne immer sechs Monate in Mindelo und bei guter Sicht, bin ich oft oben am Monte Verde. Ich nehme mir grundsätzlich einen einheimischen "Bodyguard" mit, da ich mit Fotoequipment unterwegs bin. Mir ist noch nie ein Messerküsser untergekommen. Graçias Deus! Allerdings bin ich bereit für meine Sicherheit und die meiner Kamera 20 € zu bezahlen. (dafür keine Diebstahlversicherung) Meine Bodyguards kommen aus der Kampfschule im Club Nautico ggü. der Marina. Dort frage ich nach und es klappt immer. Auch am Praça Estrela gibt es eine kleine Bar "Irak", dort kann nach Marco gefragt werden, er ist ausgebildeter Touristguide mit mehrjähriger Kampf- und Verteidigungsausbildung. Bei diesen zwei Tips zahlt Ihr keine Agenturprovisionen.
Die Polizei ist nicht nur unfähig (der Hinweis auf die Sprache kann ich nur bestätigen), sondern hat Angst, dass ihrer Familie etwas zustößt.
Oft spielen sogar verwandtschaftliche Hintergründe eine Rolle, die Täter nicht zu fassen.

Es ist traumatisch für die Opfer, bestürzend für die Leser.

Mit Grüßen Dju
P.S. Viele fragten mich schon, warum ich helfe. Ich frage auch zurück, warum die Anderen nicht...
Einer meiner Ansätze fand ich bei Rupert Voß " http://www.hand-in.de im Netz. Ich denke, dieser Mann hat es verstanden und setzt seine soziale Verantwortung um. Das nur nebenbei.
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By Daniel
#10374 Hallo Dju,

ist es richtig, dass vorgestern einer dieser "Bodyguards" ermordet wurde ?
Wenn das Gerücht stimmt, war es der Touristenguide, denn Du wohl auch gut kennst.
By Dju Dju
#10376 Hallo Daniel,
gestern - Ortszeit CV 19.00 Uhr - sprach ich lange mit Freunden. Es wurde mir Nichts erzählt...wobei an mich die "News" sofort transportiert werden.
Leider sind Gerüchte immer "Wahrheitbehaftet"... ich höre mich noch einmal um.
Danke für die Info.
LG Dju
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By Daniel
#10377 Hallo,

dann war es wohl jemand den Du nicht kanntest. Ich meine mich zu erinnern dass sein Spitzname "Bomba" war...
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By Sparrow
#10378 Sein Name war Djo Bomba.
Ihm wurde mit einem Cuttermesser die Halsschlagader aufgeschnitten, worauf er verblutete.
Leider kein Gerücht, sondern traurige Wahrheit....
By Dju Dju
#10690 ...Hallo, in S.Vicente wurde die Polizei und Militaerkraft verstaerkt und sie haben durch gegriffen. Die Strassen werden regelmaessig abgefahren, es gibt weniger Ueberfaelle und die Gangkriege sind eingestellt. Monte Verde wird jetzt von Militaereinsatzkraeften kontrolliert...
Es ist wieder ruhig und beschaulich auf S.Vicente - A graçias a deus!
Dju
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By hresch
#10697 na hoffentlich, hoert sich ja nicht so erquickend an...
wir werden 3 Tage in Mindelo sein bevor es den Rest der 3Wochen nach SaoAntao geht. wenn ich mir das alles so durchlese sollte man sich in Mindelo als Touri eigentlich nicht alleine bewegen, oder seh ich das ein wenig zuu schwarz ?

hubsi
By Dju Dju
#10719 ...Hallo, Mindelo ist tagsüber wirklich gar kein Problem...die Sicherheitsvorkehrungen sind hier im Forum ausführlichst beschrieben. Bitte durch lesen.
Wenn die Sonne untergeht, könnt Ihr ohne Bedenken im Zentrum Euch bewegen. Dennoch: ein Taxi kostet nachts 200 esc. (1,80 €) ...das ist doch die Sicherheit wert, oder?

LG Dju