- Sa Okt 15, 2011 3:01 am
#10603
Erst mal vielen Dank an Romeo für den Senf. Mit den Fakten kann ich sehr viel anfangen.
Noch zum Frankfurter Hauptbahnhof: da bin ich noch nie überfallen oder belästigt worden. Auch nachts um 2 nicht. Der Regionalzug ist das Problem bzw. einige Mitfahrer...
Und zum angeblichen Heroismus, von dem dringend abgeraten wird. Reemtsma beschreibt in seinem Im-Keller-Buch, wie froh er war, sich wenigstens ein bißchen gewehrt zu haben, auch wenn es dilettantisch war und seine Verletzungen ihn behinderten. Natascha Kampusch beschreibt, wie unglaublich überlebenswichtig es für ihre Seele war, sich gewisse Behandlungen nicht gefallen zu lassen, selbst wenn sie wieder dafür bewegungsunfähig geprügelt wurde.
Das sehen die Leute nicht, daß so ein Überfall auch die Seele verletzt. Man fühlt sich hinterher besch... Und was nützt mir eine kaputte Seele in einem relativ intakten Körper? Das beste Beispiel, was mir dazu einfällt, sind vergewaltigte Frauen. Äußerlich angeblich unversehrt oder wenig verletzt, aber innerlich zerstört...
Es geht mir hier nicht um Geld oder Sachen, wertvolle Sachen habe ich eh nicht außer mit wertvollen Erinnerungen behaftete. Die sind leider manchmal in einer Kamera. Ich muß mich manchmal wehren, damit ich mich nicht aufgebe. Das ist kein Heroismus, sondern purer Überlebensdrang.
Menschenleben sind nicht ersetzbar. Da gebe ich Dir recht, Romeo. Aber Knochen und Haut wachsen wieder zusammen (medizinische Behandlung vorausgesetzt), eine verwundete Seele meiner Erfahrung nach nicht so leicht.
Ich bin in meinem ausgedehnten Reiseleben zweimal Opfer von Raub geworden, freundlicherweise keine Überfälle, sondern Trickdiebereien: Tasche aufgeschlitzt und sogar einmal eine unter dem Hosenbein getragene von außen nicht sichtbare Sicherheitstasche aufgeschnitten, ohne daß ich es in dem Moment gemerkt habe. Natürlich habe ich mich hinterher gefragt, wie ich so doof sein konnte. Den einen Täter habe ich wiedergefunden und wollte ihn stellen, da verzog er sich aufs Klo, wohin ich ihm schlecht folgen konnte, weil ich eine Frau bin. Die zuständige Bahnhofspolizei traute sich nicht aus ihrem Büro und weigerte sich, mich zu begleiten, um den Täter zu finden und zur Rede zu stellen. Dafür haben sie sich zu dritt stundenlang um ein Protokoll bemüht und ich habe in diesen Stunden mehr über die VR China gelernt als in den vier Wochen vorher.
Der Tipp mit dem Zuhausebleiben trifft meine Situation nicht, denn hier zuhause ist der Gewaltpegel sehr hoch. Das ist zwar keine direkte Gewalt, ich werde nicht zusammengeschlagen, aber es ist institutionalisierte Gewalt, es ist viel Mißbrauch, Mißachtung und Zumutung, es sind geduldete und geschürte Drohungen. Und wenn ich nun eine Gegend suche, wo das nicht so ist und denke, aufgrund der beschriebenen Freundlichkeit der Menschen da mal hinzufahren und zu gucken, ob das die gesuchte Gegend ist, und wenn ich mich bemühe, die dort vorkommenden Gewaltformen zu fassen, so ist das wie jemand, der seine komplizierten chronischen Krankheiten an einem streßarmen Ort auskurieren will, also ein Sanatorium sucht, sich dort aber keine banale Infektion zuziehen möchte.
Ihr lebt doch auf den Kapverden, weil es Eurer Seele guttut... oder? Jetzt werden einige denken oder vielleicht schreiben, die Kapverden seien kein Sanatorium. Schade, die haben dann nicht verstanden, was ich sagen wollte.
Gruß reisefix